Biodiversitätsanalyse mit TNFD und LEAP als wichtiger Baustein für eure Umweltanalyse
Biodiversität wurde bisher in wenigen Nachhaltigkeitsstrategien wirklich umfassend bedacht. Mit den neuen CSRD-Richtlinien werden einige Unternehmen nun mit einer „doppelten Wesentlichkeit“ auch im Teilbereich E4 konfrontiert sein. Der E4-Baustein der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) beschreibt die Berichtspflichten im Zusammenhang mit Ökosystemen und allen Tier- und Pflanzenarten. Falls auch euer Unternehmen dazu berichten muss oder ihr euch einfach aus Überzeugung dem unternehmerischen Naturschutz widmen wollt, dann hilft euch dieser Artikel weiter, einen Überblick zu bekommen, wie ihr eure erste Biodiversitätsanalyse angehen könnt. Ein möglicher Weg ist der LEAP-Ansatz im TNFD Framework, welches wir euch in diesem Text vorstellen.
Die Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD) wurde ins Leben gerufen, um eine Veränderung im Denken und Verhalten von Unternehmen und Finanzinstitutionen durch das Risikomanagement von Unternehmen und Portfolios sowie durch die gängige Unternehmensberichterstattung zu fördern und zu erleichtern.
Die Taskforce stellt eine Reihe von Kennzahlen für die Messung und eine Reihe von Leitlinien bereit, um Organisationen beim Einstieg in die naturbezogene Bewertung und Offenlegung zu unterstützen. Die Guidelines sind eine Weiterentwicklung bestehender Rahmenwerke und Standards und wurden durch Anwendung eines offenen Innovationsansatzes mit Marktteilnehmer und andere Interessengruppen ausgearbeitet.
Kernstück des TNFD-Ansatzes ist LEAP. Diese Abkürzung steht für Locate, Evaluate, Assess und Prepare. Dabei handelt es sich um vier Schritte, die wie eine Art Bedienungsanleitung durch eine Biodiversitätsanalyse führen sollen. LEAP ist darauf ausgelegt, von einem Projektteam für das Biodiversitätsmanagement genutzt zu werden und umfasst vier Phasen:
1. Locate: Ermitteln Sie Ihre Berührungspunkte mit der natürlichen Umwelt.
2. Evaluate: Bewertung Ihrer Abhängigkeiten und Auswirkungen auf die Natur.
3. Assess: Bewertung Ihrer naturbezogenen Risiken und Chancen.
4. Prepare: Vorbereitung für die Umsetzung und Berichterstattung über wesentliche naturbezogene Angelegenheiten.
Dieser Ansatz kann euch gut durch eine Biodiversitätsanalyse führen. Wir haben für euch die wichtigsten Aspekte dieser vier Teilbereiche zusammengefasst.
Quelle Grafik: TNFD
Locate – Bestandsaufnahme zur Biodiversität
Zielsetzung in der Locate-Phase ist die Identifizierung potenziell wesentlicher Quellen naturbezogener Abhängigkeiten, Auswirkungen, Risiken und Chancen für die Organisation. Dies sollte entlang der gesamten Wertschöpfungskette unter Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten erfolgen.
Erste Voraussetzungen ist eine Bestandsaufnahme der Orte und Geschäftstätigkeiten:
– Eine Liste und/oder Karte ökologisch sensibler Standorte, an denen die Organisation tätig ist
– Verständnis für den Anteil des Geschäftsmodells und die Wertschöpfungsketten, die bewertet werden sollen
Durch den LEAP-Ansatz leiten euch in jedem Teilbereich passende Fragen. Die Beantwortung dieser führt am Ende zu den nötigen Daten, Szenarien und Strategien. Folgende Fragen solltet ihr euch zu Beginn stellen:
L1: Umfang des Geschäftsmodells und der Wertschöpfungskette – Welche Aktivitäten führt unsere Organisation nach Sektor, Wertschöpfungskette und geografischer Lage durch? Wo befinden sich unsere direkten Betriebsstandorte?
L2: Abhängigkeits- und Auswirkungsprüfung – Sind einige dieser Sektoren, Wertschöpfungsketten und direkten Betriebsstandorte mit potenziell moderaten und hohen Abhängigkeiten und Auswirkungen auf die Natur verbunden?
L3: Schnittstelle zur Natur – Wo befinden sich die Sektoren, Wertschöpfungsketten und direkten Betriebsstandorte mit potenziell moderaten und hohen Abhängigkeiten und Auswirkungen? Mit welchen Biomen und spezifischen Ökosystemen interagieren unsere direkten Betriebsstandorte sowie Wertschöpfungsketten und Sektoren mit moderaten und hohen Abhängigkeiten und Auswirkungen?
L4: Schnittstelle mit sensiblen Standorten – Für die Aktivitäten unserer Organisation in Wertschöpfungsketten und Sektoren mit moderaten und hohen Abhängigkeiten und Auswirkungen: Welche davon befinden sich in ökologisch sensiblen Standorten?
Biodiversitäts-Diagnostik am Unternehmensstandort
Die TNFD schlägt verschiedene Tools und Ansätze vor, um eine High-Level-Analyse durchzuführen und beispielsweise auch über einen längeren Zeitraum die Veränderungen vor Ort zu beobachten. Für eine wirklich aussagekräftigen Nachhaltigkeitsbericht empfiehlt es sich zudem, das Inventar aus Flora und Fauna an wichtigen Unternehmensstandorten genauer zu untersuchen. Für diese Biodiversitätsdiagnostik gibt es verschiedene Möglichkeiten, die auf der folgenden Grafik dargestellt sind.
Gerne beraten wir zu der Durchführung der Biodiversitätsanalyse. Die Locate-Phase ist Grundlage für alle weiteren Schritte und deshalb auch besonders aufwendig. Gewissenhaft durchgeführt bildet diese aber auch ein ideales Fundament für wirklich wirksame Maßnahmen und einen belastbaren Nachhaltigkeitsbericht.
Evaluate – Wesentliche Abhängigkeiten und Auswirkungen eures Unternehmens auf die natürliche Umwelt
In der zweiten Phase (Evaluate) ist das Ziel, die Entwicklung eines Verständnisses für potenziell wesentliche Abhängigkeiten und Auswirkungen der Organisation auf die Natur. Das bedeutet, dass zu der oben beschriebenen Bestandsaufnahme nun ein Abgleich mit den ökonomisch relevanten Faktoren der Geschäftstätigkeiten hinzukommt. In dieser Phase sollte eine Liste angefertigt werden, die beschreibt, inwiefern das Unternehmen von Ökosystemleistungen und Umweltgütern abhängt. Dies sind Güter und Dienstleistungen, die die Natur für uns kostenlos bereitstellt, wie Nahrung, aber auch Bestäubung oder Photosynthese. Wichtig ist es hier festzustellen, wie das Unternehmen davon abhängig und gleichzeitig, wie die Nutzung dieser Ökosystemleistungen durch das Unternehmen auf die Natur einwirkt.
Quelle Grafik: WWF Living Planet Report
Leitfragen für die Evaluate-Phase sind folgende:
E1: Welche Umweltgüter, Ökosystemdienstleistungen und Einflussfaktoren sind mit den Sektoren und Geschäftsprozessen und Standorten verbunden?
E2: Welche Abhängigkeiten und Auswirkungen ergeben sich daraus mit der Natur?
E3: Messung von Abhängigkeiten und Auswirkungen: Wie schwerwiegend sind die negativen Auswirkungen? Was ist der Umfang und die Reichweite der Abhängigkeiten von der Natur?
E4: Bestimmung der Auswirkungsmaterialität: Welche der identifizierten Auswirkungen sind wesentlich?
Nach diesem Schritt sollte sich ein Bild darüber ergeben haben, wie das Unternehmen auf die Natur einwirkt. Gleichzeitig sollten die ökonomischen Risiken, die sich aus der ökologischen Krise ergeben, bewusst geworden sein.:
Assess – Identifizierung von naturbezogenen Chancen und Risiken
Zu diesem Zeitpunkt in der Biodiversitätsanalyse sind bereits die wichtigsten Daten erhoben und Abhängigkeiten verdeutlich. Nun ist es das Ziel ein Verständnis dafür zu entwickeln, welche naturbezogenen Risiken und Chancen besonders wesentlich sind. Dies geschieht durch die Identifizierung, Messung und Priorisierung von naturbezogenen Risiken und Chancen, die aus den ersten beiden Phasen hervorgegangen sind.
Gewünschte Ergebnisse der Assess-Phase sind:
– Eine „Longlist“ relevanter naturbezogener Risiken und Chancen
– Eine „Shortlist“ wesentlicher naturbezogener Risiken und Chancen sowie eine Liste prioritärer Standorte
– Eine Übersicht über den Prozess zur Anpassung bestehender Risikoprozesse und zugehöriger Elemente zur Integration von naturbezogenen Risiken und Chancen.
Um diese Ergebnisse zu erhalten, ist da Einbeziehen verschiedener Stakeholder ratsam. Für den Prozess empfiehlt es sich, folgende Leitfragen zu beantworten:
A1: Welche entsprechenden Risiken und Chancen gibt es für unsere Organisation?
A2: Anpassung bestehender Risikominderungs- und Risiko- und Chancenmanagementprozesse – Welche bestehenden Prozesse und Elemente zur Risikominderung sowie zum Risiko- und Chancenmanagement werden bereits angewandt? Wie können diese angepasst werden?
A3: Messung und Priorisierung von Risiken und Chancen – Welche Risiken und Chancen sollten priorisiert werden?
A4: Bewertung der Wesentlichkeit von Risiken und Chancen – Welche Risiken und Chancen sind wesentlich und sollten daher gemäß den empfohlenen Offenlegungen der TNFD offengelegt werden?
Prepare - fundierte und langfristige Nachhaltigkeitsstrategie
Am Ende der Analyse steht die Entscheidung, wie die Organisation mit den gewonnenen Erkenntnissen umgehen soll. Durch die ersten drei Schritte sollte deutlich geworden sein, was die wesentlichsten naturbezogenen Einflüsse sind. Nun sollten andere Interessensgruppen einbezogen werden und anhand der vorangegangenen Erhebungen eine Entscheidung getroffen werden, welche wirksamen und realisierbaren Zielvorgaben sich das Unternehmen setzt. Dies erfordert auch eine Diskussion innerhalb der Organisation über euer Governance- und Risikomanagementprozesse unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Biodiversitätsdiagnostik. Folgende Fragen können durch den Prozess leiten:
P1: Strategie- und Ressourcenzuweisungspläne – Welche Risikomanagement-, Strategie- und Ressourcenzuweisungsentscheidungen sollten aufgrund dieser Analyse getroffen werden?
P2: Festlegung von Zielen und Leistungsmanagement – Wie werden Ziele gesetzt und Fortschritt definiert und gemessen?
P3: Berichterstattung – Was werden wir gemäß den Richtlinien offenlegen?
P4: Präsentation – Wo und wie präsentieren wir unsere Biodiversitätsberichte?
Wenn ihr den LEAP-Ansatz erfolgreich anwenden konntet, dann habt ihr ein ideales Fundament für das langfristige Biodiversitätsmanagement. Ihr könnt auf die Kompetenzen, die ihr aufgebaut habt, die Metriken, die festgelegt wurden und die diskutierten Strategien auch für zukünftige Berichte und Nachhaltigkeitsziele zurückgreifen.
Solltet ihr Unterstützung bei der Anwendung des LEAP-Ansatzes als Grundlage für ein wirkungsvolles Biodiversitätsmanagement eures Unternehmens benötigen, dann sprecht uns gerne an.