Jedes Unternehmen braucht zukünftig eine Biodiversitätsstrategie
Die Politik rückt die Erhaltung der Biodiversität stärker in den Fokus von Unternehmen. Die 15. Weltnaturkonferenz (CBD COP15) in Montreal im Dezember 2022 hat eine weltweite Vereinbarung zum Schutz von Natur und Biodiversität beschlossen. Im Rahmen des EU-Green Deals strebt die Europäische Union an, bis 2050 klimaneutral und ressourceneffizient zu werden. Bis 2030 soll zudem eine Wiederherstellung von 20% der Natur und Biodiversität erreicht werden.
Diese Beschlüsse werden nun durch ausgeweitete Pflichten zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, bspw. in Form der CSRD in die Unternehmen getragen. Die EU betont die Bedeutung des Reportings als einen wesentlichen Baustein, um diesem Bewusstseinswandel gerecht zu werden.
Nachhaltigkeitsreporting als erster Schritt für langfristiges Biodiversitätsmanagement
Der Fokus auf Transparenz den die EU nun durch die neuen Auflagen setzt, markiert den ersten Schritt in Richtung verantwortungsbewusster Unternehmensführung. Die Identifizierung potenzieller Risiken entlang der Wertschöpfungskette ermöglicht es Unternehmen, proaktiv auf Herausforderungen zu reagieren und ihre Nachhaltigkeitsbemühungen zu stärken. Ein transparentes Nicht-Finanzreporting, das auf die Ebene von Controlling und Co. gehoben wird, eröffnet die Möglichkeit, sowohl interne als auch externe Stakeholder umfassend zu informieren.
Das Hervorheben von Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren (ESG) im Reporting hat weitreichende positive Effekte. Unternehmen, die sich in diesem Bereich engagieren, profitieren von einem gesteigerten Image, da sie nicht nur ihre Verantwortung gegenüber der Umwelt und Gesellschaft unterstreichen, sondern auch ein Bewusstsein für nachhaltige Praktiken schaffen. Dies wiederum zieht nicht nur umweltbewusste Kunden an, sondern spricht auch hochqualifizierte Fachkräfte an, die vermehrt Wert auf ethisches und nachhaltiges Handeln in ihren Arbeitsumgebungen legen.
Die EU-Vorschriften fungieren dabei als Treiber für die Umsetzung von nachhaltigem Reporting in Unternehmen. In diesem Kontext wird oft vom ESG-Reporting gesprochen, wobei ESG für Environmental, Social und Governance steht (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) steht.
Die drei wichtigsten Richtlinien für Nachhaltigkeitsberichterstattung haben wir hier für euch aufgelistet:
1. EU Taxonomie (for Sustainable Activities)
– In Kraft getreten am 1. Januar 2022.
– Definiert, welche wirtschaftlichen Aktivitäten als nachhaltig gelten.
– Legt Kriterien für klima- und umweltfreundliche Tätigkeiten und Produkte fest.
– Verlangt einen substanziellen Beitrag zu mindestens einem der sechs Umweltziele.
– Fordert, dass die Aktivität keine Beeinträchtigung anderer Umweltziele verursacht und den Mindestschutz (OECD-Leitsätze) einhält.
– Quelle: EU Taxonomie
2. Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR)
– In Kraft getreten am 10. März 2021.
– Verpflichtet Finanzmarktteilnehmer wie Private Equity, Venture Capital und Fondsgesellschaften sowie Finanzberater zur Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen zu ihren Produkten und Portfolios.
– Strebt eine erhöhte Transparenz an, um ökologische und soziale Faktoren stärker in Entscheidungen über Investitionen und Finanzierungen einzubeziehen.
– Quelle: SFDR
3. Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)
– Wird stufenweise ab 2024 eingeführt.
– Regelt die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen.
– Rund 15.000 Unternehmen in Deutschland und etwa 50.000 in der EU sind betroffen.
– Etabliert einen einheitlichen Rahmen für die Offenlegung von ESG-Daten (Umwelt, Soziales, Governance).
– Einführung der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) als verbindlicher Berichtsstandard in der EU.
– Quelle: CSRD
Diese Richtlinien sind eng miteinander verbunden und überschneiden sich teilweise. Das Zusammenspiel der Richtlinien wird in einem Schaubild der Europäischen Kommission dargestellt, um die Wechselwirkungen und Synergien zwischen ihnen zu verdeutlichen. Die Gesamtheit dieser Richtlinien zielt darauf ab, die Transparenz und Verantwortlichkeit in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte in verschiedenen Sektoren zu stärken.
Vor allem die Ausweitung der CSRD-Berichtspflicht stellt viele Unternehmen vor neue Herausforderungen.
Corporate Sustainability Reporting - Wer muss berichten?
Die Ausweitung der Berichtspflicht erstreckt sich auf zwei Gruppen von Unternehmen:
Alle großen Unternehmen:
Unternehmen gelten als groß, wenn sie am Bilanzstichtag mindestens zwei der folgenden drei Merkmale erfüllen:
– Bilanzsumme: mindestens 25 Mio. €
– Nettoumsatzerlöse: mindestens 50 Mio. €
– Durchschnittliche Zahl der während des Geschäftsjahres Beschäftigten: mindestens 250
Alle an der Börse gelisteten Unternehmen, ausgenommen Kleinstunternehmen:
Kleinstunternehmen sind definiert als Unternehmen, die am Bilanzstichtag mindestens zwei der folgenden drei Merkmale erfüllen:
– Bilanzsumme: maximal 450.000 €
– Nettoumsatzerlöse: maximal 900.000 €
– Durchschnittliche Zahl der während des Geschäftsjahres Beschäftigten: maximal 10
Vergleichbarkeit durch einheitliche Standards – Die European Sustainability Reporting Standards (ESRS)
Der Weg zur Berichterstattung erfolgt über einen einheitlichen Standard, nämlich die European Sustainability Reporting Standards (ESRS). Nachhaltigkeitsinformationen werden künftig im Lagebericht unter Verwendung dieser EU-Standards transparent gemacht. Die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) hat im ersten Schritt sektorübergreifende Standards erarbeitet.
Die endgültigen sektorübergreifenden Standards sind auf der Webseite der EU-Kommission verfügbar. Branchenspezifische Standards soll es im Sommer 2024 geben
Die drei ESG-Kategorien beinhalten verschiedene Bausteine:
Der Standard ESRS E4 befasst sich mit Biodiversität und Ökosystemen
Das Ziel des Standards ESRS E4 besteht darin, klare Vorgaben dafür zu schaffen, welche Informationen im Kontext der biologischen Vielfalt und Ökosysteme in Unternehmensberichten aufgeführt werden sollen. Hierbei liegt der besondere Fokus auf der Darstellung der Auswirkungen von Geschäftstätigkeiten auf Land-, Süßwasser- und Meereshabitaten, sowie den damit verbundenen Tier- und Pflanzenarten. Dies schließt die Betrachtung der Vielfalt innerhalb und zwischen den Arten und Ökosystemen ein, sowie deren Wechselwirkung mit zahlreichen einheimischen und betroffenen Gemeinschaften.
Die Thematik ist komplex und abstrakter als einige andere Aspekte im Umweltbereich. Dennoch stehen zahlreiche Datenbanken, Tools und bewährte Methoden zur Verfügung, um diese Herausforderung anzugehen.
Wichtige Basis jedes Berichts - Die Wesentlichkeitsanalyse (Materiality Assessment)
Jedem Bericht muss eine Wesentlichkeitsanalyse zugrunde liegen. Die Definition von Wesentlichkeit basiert auf dem Prinzip der „doppelten Wesentlichkeit“, das zwei Perspektiven umfasst:
Inside-Out-Perspektive (Impact Materialität)
– Beschreiben der Geschäftstätigkeiten, die einen wesentlichen Einfluss auf Mensch und Umwelt haben unter Berücksichtigung von betroffenen Interessengruppen
– Es geht darum, die Auswirkungen des Unternehmens auf die externe Welt zu verstehen und diejenigen Aspekte zu priorisieren, die für Stakeholder von besonderer Bedeutung sind.
Outside-in-Perspektive (finanzielle Materialität)
– Diese Perspektive betrachtet die Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekten auf den Erfolg des Unternehmens. Hierbei werden Aspekte identifiziert, die finanziell signifikant sind oder werden könnten z.B. in Bezug auf Vermögen, Erträge, Kosten oder auch Haftungsansprüche.
– Ziel ist es, die finanziellen Risiken und Chancen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten zu bewerten und ihre Bedeutung für die langfristige Wertschöpfung des Unternehmens zu verstehen.
Die „doppelte Wesentlichkeit“ ermöglicht somit eine umfassende Beurteilung der relevanten Aspekte sowohl aus der Perspektive der Auswirkungen auf Mensch und Umwelt als auch im Hinblick auf die finanzielle Leistung des Unternehmens. Für die Ausarbeitung der Analyse soll eine Zusammenarbeit mit sämtlichen Berührungsgruppen stattfinden. Dies sind zum Beispiel Mitarbeitende, Geschäftsführung, Kund*innen, zuliefernde Betriebe aber auch Kommunen oder NGOs.
Ablauf der Wesentlichkeitsanalyse für Biodiversität und andere Themen: Von der Long List zur Short List
Die folgende Übersicht stellt einen möglichen Ablauf der Wesentlichkeitsanalyse dar:
Die Erstellung der Wesentlichkeitsanalyse erfordert eine gründliche und gewissenhafte Herangehensweise. Falls Prüfende der Analyse andere Aspekte als wesentlich einschätzen, muss der gesamte Bericht am Ende überarbeitet werden. Diese strenge Prüfung gewährleistet jedoch eine hohe Qualität der offengelegten Informationen und infolgedessen auch wirksame Nachhaltigkeitsstrategien.
Eine langfristige und wirkungsvolle Nachhaltigkeitsstrategie zahlt sich aus - für Biodiversität, Mensch und Unternehmen
Gebt eurem Nachhaltigkeitsbericht von Beginn an Substanz, indem ihr konkrete Maßnahmen und bereits umgesetzte Schritte im Sinne der CSRD hervorhebt. Eine klare Kommunikation über eure Nachhaltigkeitsreise, einschließlich der Identifizierung von Handlungsbedarf, macht eure Ambitionen für Stakeholder nachvollziehbar und glaubwürdig. Es ist wichtig, offen über den Fortschritt und die Herausforderungen zu sprechen.
Allerdings ist Vorsicht geboten, um nicht in die Falle des „Greenwashing“ zu geraten. Vermeidet es, eure Bemühungen absichtlich zu übertreiben oder oberflächliche Maßnahmen als umfassende Nachhaltigkeitspraktiken darzustellen. Eine solche Täuschung kann nicht nur eurer Reputation schaden, sondern hat auch konkrete Konsequenzen im Kontext der neuen EU-Richtlinien Anti-Greenwashing-Vorschriften.
Achtet darauf, dass eure Berichterstattung transparent und ehrlich bleibt, um glaubwürdige Fortschritte auf eurer Nachhaltigkeitsreise zu präsentieren. Neben dem hohen Aufwand gibt es auch viel zu gewinnen: Gute Reputation, zufriedene Mitarbeitende, sichere Geschäftsmodelle und in erster Linie eine lebenswerte Zukunft.
Wir unterstützen euch gerne bei der Kompetenzbildung in eurem Nachhaltigkeitsteam, beraten euch bei der Wesentlichkeitsanalyse und dem Biodiversitätsmanagement für den Bericht und darüber hinaus.
Sprecht uns gerne an: